Los ging‘s am 23. September am Frankfurter Flughafen. Dort trafen sich alle Delegationsmitglieder für den Abflug nach Helsinki. Am gleichen Tag ging es dann weiter in den hohen Norden nach Oulu. Abends fand der Willkommensabend mit einer Begrüßung durch Herrn Ministerpräsident Kretschmann und lokalen Vertretern der Wirtschaft und Politik statt. Das Hotel war in einem nordischen Stil gemütlichen eingerichtet und hatte eine traumhafte Lobby mit Kaminfeuer.
Am ersten richtigen Tag ging es morgens zu VTT, dem Fraunhofer-Pendant in Finnland. Nach einer allgemeinen Einführung wurden wir durch die Labore geführt. Ich fand es sehr beeindruckend zu sehen, wie selbstverständlich das VTT Wissenschaftler bei der Ausgründung von Start-Ups unterstützt. Die Start-Up-Präsentationen reichten dabei von widerstandfähigen Datenkabeln, über biegsame LCD-Displays bis hin zu neuen Lösungen für einen Alkoholtest im Straßenverkehr. Die nächste Station an diesem Tag war die Universität Oulu, das Wissenschaftszentrum im nördlichsten Innovationsökosystem der Europäischen Union. Die Universität Oulu hat ihre Forschung hauptsächlich auf Zukunftsthemen wie Kommunikation (5G), Digitalisierung und Künstliche Intelligenz ausgerichtet. Ich fand es in den anschließenden Gesprächen sehr interessant zu lernen, dass in Finnland wie in Deutschland ein massiver Mangel an Fachkräften in diesen Gebieten existiert.
Am Nachmittag besuchten wir „The Home of Radio“ – das Forschungs- und Entwicklungszentrum von Nokia in Oulu. Die Unternehmensgeschichte von Nokia zeigt die Wandelfähigkeit der Unternehmen in Finnland. Gestartet als Sägewerk Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich Nokia weiter zu einem großen Gummihersteller für Reifen und dann schlussendlich zum weltweit größten Handyhersteller am Anfang des neuen Jahrtausends. Dann kam jedoch der Einbruch der Nachfrage nach Handys von Nokia im ersten Jahrzehnt. Das Unternehmen konzentrierte sich anschließend auf Netzwerktechnologie. In den Gesprächen mit den Mitarbeitern von Nokia begeisterte mich der Wille nicht aufzugeben. Dazu war dem Management und den Mitarbeitern von Nokia klar, dass man sich immer wieder neu anpassen muss. Wie Nokia tat dies im letzten Jahrzehnt die gesamte Industrie in Oulu. Da Nokia viele Mitarbeiter entlassen musste, gründeten diese um den Nokia-Standort herum Start-Ups. Und für diese ist die Stadt Oulu heute so bekannt. Nach Nokia besuchten wir die Firma Bittium und erlebten dort den gleichen Zukunftsglauben. Der Tag klang mit einem Festbanquette im Stadthaus von Oulu aus.
Am Mittwoch flogen wir zurück nach Helsinki. Dort lernten wir bei verschiedenen Vorträgen in der Firmenzentrale von F-Secure Vertreter des Start-Up-Ökosystems in Helsinki kennen. Mir blieben zwei Vorträge besonders in Erinnerung. Zum einen den Eröffnungsvortrag von Pekka Sivonen, der in seiner Präsentation die Themen Künstliche Intelligenz, Klimawandel und Mobilität zusammenbrachte. Zum anderen eine extrem erfrischende Präsentation von Sampo Hietanen, dem CEO des Start-Ups MaaS Global. Mit seinem Service Whim möchte Sampo nichts weniger als die Mobilitätsplattform der Zukunft erschaffen mit einer App, die Zugang zu allen Transportmitteln wie Bahn, ÖPNV und Car Sharing auf einmal ermöglichen soll. Abends waren wir zum Empfang zum Tag der Deutschen Einheit in der Deutschen Botschaft eingeladen.
Nach dem Abflug aus Helsinki morgens um 7:40 ging unser Programm in Göteborg weiter. Nach einer Vorstellung der Business Region Göteborg ging es zum Lindholmen Science Park. Dort bekamen wir wie in Finnland beim Begrüßungsabend eine professionelle Einführung in die politische und wirtschaftliche Struktur von Schweden sowie einen Überblick über den Wirtschaftsstandort Göteborg.
Die Geschichte von Göteborg klingt ähnlich wie die von Oulu. Göteborg war bis in die Siebzigerjahre hinein ein weltweit führender Standort für den Bau von Schiffen. Zum Ende der Siebziger jedoch rutschte diese Branche in eine schwere Krise und die Stadt mit ihr. Mitte der Neunziger entschieden sich die Verantwortlichen in Göteborg in Zukunft auf IT- und Kommunikation-Technik zu setzen. Dazu wurde der Lindholmen Science Park gegründet. Es dauerte jedoch dann noch fast mehr als zwanzig Jahre bis heute 250 Unternehmen mit geschätzten 10.000 Mitarbeitern dort aktiv sind. Hinzu kommen 10.000 Studierende, Wissenschaftler und Lehrer.
Unsere Stopps im Lindholmen Science Park waren Geely Innovation Center und Ericsson. Dort führten wir eine sehr spannende Diskussion zu den vielen Möglichkeiten, die der neue Mobilitätsstandard 5G bringen wird, vorausgesetzt ein dichte 5G-Netz ist vorhanden.
Abends fand der Ausklang der Delegationsreise mit einem gemütlichen gemeinsamen Abendessen im Hotel statt.
Am Freitagmorgen ging es wieder in den Lindholmen Science Park mit einer Reihe von Vorträgen zu verschiedenen Innovationsprojekten, in denen der Science Park mitarbeitet. Die Reise klang mit dem Besuch der Technischen Hochschule Chalmers aus.
Freitagnacht waren wir ich dann wieder in Stuttgart.
Über den Autor
Dr. Michael Raschke ist Mitgründer und Geschäftsführer der Blickshift GmbH sowie ein Experte für eine visualisierungsbasierte Analyse von Augenbewegungen. Michael ist davon überzeugt, dass der Schlüssel für die Realisierung von Lösungen mit Künstlicher Intelligenz in einem tiefen Verständnis der menschlichen visuellen Wahrnehmung liegt. Michael ist Autor und Co-Autor von mehr als 40 Publikationen auf den Gebieten der Visualisierung, Visual Analytics, des Eye-Trackings und der Mensch-Computer-Interaktion.
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