Das autonome Fahren basiert auf zwei Säulen:
Den ersten Punkt beherrschen meiner Erfahrung nach die deutschen Automobilhersteller und Zulieferer inzwischen sehr gut. Nach den ersten Versuchen in den 90igern durch Firmen wie Daimler rückte das Thema automatisierte Fahren erst wieder mit den Testfahrten des Google Cars in die Aufmerksamkeit von Entscheidern, aber auch der Kunden. Daraufhin begann eine beeindruckende Aufholjagd von OEMs und Zulieferern, die in aktuellen Level-2-Serienfahrzeugen, neuartigen Assistenzsystemen und Prototypen für das Level-3-Fahren seinen aktuellen Gipfel findet.
Die zweite Herausforderung, neben der Technik, ist allerdings nach wie vor der Mensch, welcher in einem automatisiert fahrenden Auto sitzt. Ich stelle mir das Fahren mit einem automatisierten Fahrzeug immer vor wie die Mitfahrt bei einem Bekannten, der mich von A nach B bringen möchte. In dem Moment, in dem ich in das Fahrzeug von ihm steige, entscheidet mein Unterbewusstsein automatisch, ob ich der Person es zutraue mich sicher ans Ziel zu bringen oder nicht. Im Laufe der Fahrt beobachte ich dann in der Regel genau, wie mein Bekannter in verschiedenen Verkehrssituationen handelt und wie schnell er reagiert. Vielleicht bekomme ich mit der Zeit ein Gefühl der Sicherheit, vielleicht „stehe“ ich aber auch permanent mit auf der Bremse und entscheide mich zum Schluss, nicht mehr mit diesem Bekannten mitzufahren.
Wie könnten wir nun analysieren wie Vertrauen in ein automatisiertes Fahrzeug entsteht?
Eine Lösung besteht darin, biometrische Daten (Eye-Tracking, Herzfrequenz, Hautleitwiderstand) der Passagiere aufzunehmen und situationsabhängig zu analysieren (siehe Abbildung 1). Insbesondere diese drei Metriken ergeben kombiniert ein sehr detailliertes Bild über den aktuellen Stresszustand des Fahrers. Werden diese Informationen einem „Wohlfühlmodell“ hinzugeführt und mit Informationen von den Fahrzeugsensoren und Umgebungsinformationen verbunden, ergibt dies einen sehr guten Einblick in den emotionalen und kognitiven Zustand des Passagiers. Auf Basis dieser Information ist es dann denkbar, dass das Fahrzeug individuell auf verschiedene Verkehrssituationen reagiert, sodass die Passagiere das maximale Vertrauen in das Fahrzeug spüren.
Wichtig hierbei ist, die Perspektive von der Technik hin zum Fahrer zu wechseln: Wir stellen den Fahrer in den Mittelpunkt und denken dazu das automatisierte Fahren aus seiner Perspektive.
Meiner Meinung nach ist eine solche Technologie kein Science-Fiction. Eine geschickte Kombination aus Biometrik-Erfassung, Wahrnehmungs- und Emotionsmodellierung sowie die Verbindung dieser Modelle mit Informationen über den Straßenverkehr, den Zustand des Fahrzeugs, ausgewertet mit Verfahren der Big Data wird hier Komponente bieten, um den zweiten wichtigen Punkt, die Akzeptanz für das automatisierte Fahren, schneller zu erhöhen.
Über den Autor
Dr. Michael Raschke ist Mitgründer und Geschäftsführer der Blickshift GmbH sowie ein Experte für eine visualisierungsbasierte Analyse von Augenbewegungen. Michael ist davon überzeugt, dass der Schlüssel für die Realisierung des automatisierten Fahrens in einem tiefen Verständnis der menschlichen Wahrnehmung des Straßenverkehrs liegt. Michael ist Autor und Co-Autor von mehr als 40 Publikationen auf den Gebieten der Visualisierung, Visual Analytics, des Eye-Trackings und der Mensch-Computer-Interaktion.
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